Der Blick zurück Auf die Blüte folgte der Niedergang Während des 2. Weltkrieges hatte die Pferdezucht in unserem Land eine richtige Blüte erfahren. Pferde fürs Militär und die Landwirtschaft waren gefragt. Später in den 50-iger und 60-iger Jahren wendete sich diese Entwicklung zum Gegenteil. Die Motorisierung und die Mechanisierung der Landwirtschaft liess die Nachfrage nach Pferden drastisch sinken. Mit der Zucht ging es rapide bergab. Eine Gruppe begeisterter Pferdezüchter aus dem Raum Bern wollte dieser Entwicklung entgegen wirken.
Zusätzlich motiviert wurden sie durch die Tatsache, dass in dieser Zeit um die 2500 Reitpferde jährlich für die Armee importiert wurden. Diesen Markt wollten die aus der Landwirtschaft stammenden Züchter selber abdecken. Unterstützt wurden sie durch den damaligen Direktor des Eidgenössischen Gestüts in Avenches (heute Nationalgestüt), Dr. Jakob Baumann.
Die Reise in die Normandie
Im Frühjahr 1962 unternahm man eine Reise nach Frankreich in die Normandie um Stuten anzukaufen. Kameraden aus dem Jura und dem Kanton Solothurn begleiteten dabei die Berner. Sechs Anglo-Normänner-Zuchtstuten wurden daraufhin importiert. Sie bildeten die Grundlage zur Entstehung der Warmblutpferdezucht-Genossenschaft Bern-Mittelland. Die jungen Normännerstuten weckten einerseits Bewunderung andererseits aber auch Kritik bei vielen Freibergerzüchtern.
Gründung trotz Opposition
Die Opposition gegen die Gründung der Genossenschaft sei gross gewesen damals, vor allem von seiten der Händler (Importeure) und starken Persönlichkeiten aus der Freibergerzucht, lässt sich aus einem von Hans Rufer verfassten Dokument erfahren. Doch allen Widerwärtigkeiten zum Trotz kamen am 23. August 1962 zwanzig aktive Bauern und begeisterte „Rösseler“ im Gasthof Schönbühl zusammen. Die Warmblutpferdezucht-Genossenschaft Bern-Mittelland wurde aus der Taufe gehoben. Der Name Bern-Mittelland wurde gewählt, weil die anwesenden Züchter aus allen Teilen des Kantons Bern kamen. Der erste Präsident war Hans Rufer, der Vizepräsident Hans Häberli, Zuchtbuchführer wurde Andreas Witschi und als Sekretär amtete Rudolf Marti. Drei Beisitzer komplettierten den ersten Vorstand: Armin Vogt, Gottlieb Bernhard und Hermann Hurni.
Im Herbst konnte bereits die erste eidg. Schau im Sand-Schönbühl durchgeführt werden. Prämiert wurden 22 Stuten, wovon neun originale Anglo-Normänner und 19 Fohlen. Im
darauf folgenden Jahr kam der erste Hengst auf Station nach Jegenstorf zu Ernst Ziehli: Knockout, ein Kultimate-Ultimate xx – Sohn, der gut zu den Stuten passte. Später, im Jahr 1970 unternahm
man noch mal eine Reise, diesmal nach Schweden. Die Genossenschaft kaufte fünf Stuten, deren weibliche Nachzucht an Züchter weiter veräussert wurde. Durch diesen Massnahme erhoffte man sich mehr
Gang und Eleganz im Zuchtstutenbestand.
Rekord mit 182 prämierten Pferden
Die eidg. Beständeschauen fanden von 1963 bis 1981 im Sand-Schönbühl und in Aarberg statt. Danach gab man den Sand zu Gunsten von Hofwil-Münchenbuchsee auf. Der Vorstand der Genossenschaft war auch für die Bereitstellung von qualitativ guten Vererbern aus dem Besitz des Eidg. Gestüts besorgt. So waren bis 1974 jeweils Hengste für die Warmblutzucht, darunter auch immer mal wieder englische Vollblüter bei privaten Züchtern stationiert. Von 1975 bis 1996 war im Sand dann eine Station mit Bundeshengsten in Betrieb. Im Jahre 1987 der Rekord: es wurden 182 Pferde zur Beurteilung vorgeführt! Dabei gilt es zu beachten, dass früher nicht nur Fohlen, sondern auch 1 1/2-, 2 1/2- und 3 1/2-jährige Jungpferde punktiert wurden. Den Schauplatz Aarberg hob man 1994 auf. Seit dem Jahr 1999 hält die Genossenschaft ihre alljährliche Fohlenschau mit Bern-Mittelländischem Championat auf der Anlage des Nationalen Pferdezentrums in Bern ab.
Und heute?
Vieles hat sich seit der Gründung gewandelt. So hat der Bund die Verantwortung für die Pferdezucht abgegeben und diese in die Hände der Rassenverbände gelegt, was zur Auflösung des Schweiz. Pferdezuchtverbandes und zur Gründung des ZVCH geführt hat.
In all den Jahren hat sich Bern-Mittelland einen Namen als initiative und aktive Genossenschaft geschaffen. Sie setzt sich für ihre Mitglieder und die Förderung der Sportpferdezucht in der Schweiz ein. So sind oder waren auch immer wieder Vorstandsmitglieder in verantwortungsvollen Funktionen in Verbänden und Kommissionen oder als Experten auf kantonaler oder schweizerischer Ebene tätig. Den Herausforderungen unserer Zeit, mit für die Züchter härteren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, stellt man sich. Dass der eingeschlagene Weg der richtige ist, zeigen unzählige sportliche nationale und internationale Erfolge von auf bern-mittelländischem Boden geborenen Pferden.
Zum Jahresprogramm gehören seit jeher Zuchtprüfungen (ehemals Leistungsprüfungen für Zuchtstuten, Eignungs- und Ausbildungsprüfungen) Feldtests, Weiterbildungsveranstaltungen, Kurse für Jungpferde, Verkaufs- und Sportveranstaltungen, Promotionsprüfungen und Reisen zur Pflege der Kameradschaft.
21.11.2008 Sandra Flückiger